Ein Flyer, ein Link – und eine große Kontroverse: Eine Mutter aus Nordrhein-Westfalen berichtet, wie sie als eine der wenigen das Sexualerziehungsmaterial der BZgA für Grundschüler genauer unter die Lupe nahm und darin bedenkliche Inhalte fand. Ihr Engagement zeigt, wie wichtig es ist, wachsam zu bleiben und den Dialog zu suchen, auch wenn man dabei auf Unverständnis stößt.
Material von der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA)
Wir bekamen vorab einen Flyer mit einem Link, wo man sich das Material (übrigens von der BZgA) anschauen konnte. Das Material wurde dann an die Kinder (4. Klasse Grundschule) verteilt, dieses sollte aber in der Schule bleiben. Ergo waren ich und eine andere Mütter aus der Klasse offensichtlich die Einzigen, die sich das Material angeschaut haben, weil wir uns damals die Mühe gemacht haben, dem Link zu folgen.
Erklärung von „Masturbation“ oder „Analverkehr“ für Grundschüler
Hinter dem Link verbirgt sich „Das kleine Körper-ABC“ (überarbeitet 2024), in dem auch Begriffe wie „intergeschlechtlich“, „Masturbation“ und „transgeschlechtlich“ beschrieben werden. Außerdem wird unter dem Begriff „Geschlechtsverkehr“ Analsex beschrieben („Wenn der Penis in den After (Po-Loch) gleitet, wird das auch Geschlechtsverkehr genannt.“) und bei dem Stichwort „Petting“ erfahren die Grundschüler etwas darüber, wie es ist, „mit der Zunge oder dem Mund an der Brust oder den Geschlechtsorganen zu erregen, ohne Geschlechtsverkehr zu haben“.
Zweifelhafte Ausdrucksweisen – Unverständnis von Lehrerin und Eltern
Auch die Sprache finde ich sehr bedenklich. Es ist unter dem Stichwort „Sexualität“ von „Sex machen“ und „Lust haben“ die Rede. Und in der Geschichte „Dem Leben auf der Spur. Agi, Flo, Paul und Muri auf Klassenfahrt“ heißt zum Beispiel auf Seite 18: „Den meisten Erwachsenen und Jugendlichen macht es einfach so viel Spaß miteinander zu schlafen, dass sie es nicht nur einmal, sondern immer wieder machen. Damit dabei nicht jedes Mal ein Baby entsteht, benutzen sie Verhütungsmittel. Und wenn zwei Frauen oder zwei Männer Sex miteinander haben, haben sie zwar eine Menge Spaß miteinander, aber es entsteht kein Baby.“
Ich finde diese Botschaft für 9-Jährige sehr gefährlich, denn unter Spaß verstand meine Tochter damals, z. B. auf dem Spielplatz zu spielen. Ich habe mir damals gedacht, dass diese Art der Sexualerziehung ein wunderbares Geschenk für Pädophile ist. Ich habe dann beim Elternabend mein Problem angesprochen, erntete aber leider nur völliges Unverständnis der Lehrerin und Ungläubigkeit der anderen Eltern, die nicht glauben wollten, dass Sexualpraktiken im Material beschrieben sind. Das Thema wurde dann schnell übergangen und es ging mit anderen Themen weiter.
Widerspruch lohnt sich!
Etwas später habe ich ein Gespräch mit der stellvertretenden Direktorin geführt und ihr erklärt, warum ich die Botschaft für „gefährlich“ halte und dass meiner Meinung nach Sexualpraktiken nicht in den Unterricht gehören. Eine Neunjährige muss nicht wissen, dass man bspw. den Penis auch in den After schieben kann! Zudem erklärte ich ihr, dass ich als Mutter dies als übergriffig empfinde. Ein Jahr später hat mir dann eine andere Mutter erzählt, dass in der Stufe danach anderes Material verwendet wurde. Ich habe es mir zwar nicht angeguckt, aber gedacht, dass sich der Einsatz vielleicht doch gelohnt hat – auch wenn ich natürlich nicht weiß, ob ich da den Ausschlag gegeben habe.
Wachsam bleiben
Ich hoffe nun, dass das andere Material kindgerecht ist und habe mir vorgenommen, bei meinem jüngeren Kind, das nächstes Jahr in die vierte Klasse kommt, wachsam zu sein und mich frühzeitig nach dem Material zu erkundigen.